Schwäbisch für Besserwisser

Der Schwaben Leibgericht

Die Schwaben gelten als ausgesprochen eigensinnig; selten teilt einer die Meinung des anderen. Doch was ihr Leibgericht betrifft, sind sich alle einig: Spätzle.

Die Herkunft des Spätzles ist, sowohl was das Ding an sich als auch seinen Namen betrifft, noch immer nicht gesichert. Spekulationen über den Ursprung des Begriffs gibt es viele, angefangen von einer vagen Ähnlichkeit mit frisch geschlüpften Haus-Sperlingen bis zu den gelehrten Erwägungen des Ulmer Münster-Konzertmeisters Georg Hertz.

Der hat in seiner 1937 erschienenen Autobiographie "So reich ist die Welt!" das Wort Spätzle auf das italienische spezzato zurückgeführt, das er mit "Gestückeltes, Geschnetzeltes" übersetzte: "Das Küchenlatein der Mönche, die ein spezzato aus Teig machten, wurde von den Schwaben irrtümlich oder witzig mit Spätzle verdolmetscht."

Hertz ist nicht der erste, der im Spätzle eine italienische Wurzel wittert. Zuvor schon war vermutet worden, der Volksmund habe "pasta" zu einem schwäbisch ausgesprochenen Spatza vernuschelt. Aber die eine wie die andere Erklärung ist weit hergeholt.

Der von Hertz hergestellte Bezug zum Küchenlatein der Mönche ist nirgends verbürgt.   Die frühesten Belege für das Wort stammen aus dem 18. Jahrhundert, während die wesensverwandten Knöpfle schon früher literarisch verbraten worden sind - etwa in der Figur des Knöpflesschwaben, der bezeichnenderweise nicht Spätzlesschwab heißt.

Zudem finden wir in Belegen aus  dem 18. Jahrhundert mehr Spatzen als Spätzle. So bemerkt Rosinus Lentilius in seinem 1725 erschienenen Buch über den Göppinger Sauerbrunnen: In des Badmeisters Küche zoge ich Erkundigungen ein, ob man das Sauer-Wasser auch zum kochen gebrauchte, und bekame zur Antwort, daß alles, was von Meel zubereitet wird, als Knöpflein, Nudeln, Spazen etc. schmakkhafter und lukkerer vom Sauer-Brunnen als vom süßen Wasser werden.

Auch in dem 1795 gedruckten Versuch eines schwäbischen Idiotikon von Johann Christoph Schmid gibt es keine Spätzle, sondern "Spatzen, kleine Klöße von Mehl und Wasser". Um dieselbe Zeit schrieb eine unbekannte "Freundin der Kochkunst" das Göppinger Kochbuch. Es enthält Rezepte für "gute Wasserspäzlen", "gebrühte Wasserspazen" und "gebrühte Milchspäzlein".

Einen interessanten Hinweis enthält das Schweizerische Idiotikon, nämlich dass die tägliche Fleischration des Soldaten Spatz genannt wurde. Dazu passt der Hinweis in Kluges Etymologischen Wörterbuch, dass der Spatz, von dem die Spätzle stammen, möglicherweise nicht das gleiche Wort sei wie der Spatz im Sinne von Sperling, sondern ein Ausdruck für "Klumpen".

Ob Spätzle nun "kleiner Klumpen" oder "kleiner Sperling" bedeutet: Freuen wir uns, dass niemand auf die Idee gekommen ist, die Spätzle so zu bezeichnen, wie sie aussehen. Sonst müssten sie nämlich Würmle heißen.

von Henning Petershagen

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