Schwäbisch für Besserwisser

No net hudle!

Ihre sprichwörtliche Gründlichkeit haben die Schwaben in einer kurzen und prägnanten Maxime zusammengefasst: No net hudle! Was heißt das eigentlich?

die Empfehlung No net hudle! zu übersetzen mit dem auf den ersten Blick sinnverwandt anmutenden "Eile mit Weile", wäre krottenfalsch.

Jenes "Eile mit Weile" führte in seiner lateinischen Version "festina lente" schon Kaiser Augustus häufig im Munde, und auch die Griechen handelten gerne nach dem gleichbedeutenden Grundsatz "speude bradeos". Als Sklavenhalter, die andere für sich schaffen ließen und selber den ganzen Tag auf dem Marktplatz oder im Zirkus herumlungerten, konnten die Griechen und Römer sich tatsächlich eine bis zur Untätigkeit reichende Gemächlichkeit erlauben.

Nicht so die Schwaben. Ob der Not gehorchend oder dem eigenen Triebe oder einem aus der Not geborenen Trieb oder, um einen im Notstand befindlichen Trieb zu überlisten - oder vielleicht auch nur, um ein hartnäckiges Klischee zu bedienen: Sie schaffen. Und wenn sie schaffen, dann schaffen sie gründlich, so, dass das Produkt möglichst lange "hebt".

Die Haltbarkeit wäre aber gefährdet, wenn der Produzent anfinge zu hudle, das heißt schlampig zu arbeiten. Übrigens läßt sich ein ná-g'hudlets Produkt schlechter verkaufen als ein "sauber g'schaffts", weswegen selbst der profitorientierteste schwäbische Unternehmer seinen Mitarbeitern empfehlen wird, nicht zu hudle. Hingegen käme es weder ihm noch einem schwäbischen Gewerkschafter jemals in den Sinn, das arbeitende Volk aufzufordern, mit Weile zu eilen.

Was heißt hudle eigentlich? Das Zeitwort stammt vom Hauptwort Hudel. Und das bedeutet in erster Linie "Lumpen, Lappen". Im Schwäbischen ist Hudel oder Hudelwisch darüber hinaus der an einer Stange befestigte Lumpen, mit dem der Bäcker die glühend heiße Asche des Holzfeuers aus dem Ofen wischt, das diesen aufgeheizt hat. Dies muss sehr schnell geschehen, was zur Vermutung führte, dadurch habe hudle den Sinn eines hurtigen, oberflächlichen Tuns erhalten.

 Die einschlägigen Wörterbücher bestätigen dies Annahme jedoch nicht. Grimm leitet hudeln aus einer anderen Bedeutung von Hudel ab, nämlich "Schimpfwort für einen nichtswerten Menschen". Das Verb hudeln bedeutet dem zufolge "wie ein nichtswerter Mensch verfahren", und auch Fischer vermutet in seinem Schwäbischen Wörterbuch einen Zusammenhang mit Hudel im Sinne von "Lump, Taugenichts, verkommener Mensch".

Nun einfach zu behaupten, die eine oder die andere Herleitung sei richtig, wäre hudelig und soll daher unterbleiben. Stattdessen sei noch ein ziemlich heißer Spruch mitgeteilt, den Fischer in seinem Wörterbuch überliefert hat (Tierfreunde mögen die Lektüre zuvor abbrechen): "S isch  älles a G'wohnheit, hat dr Beck g'sait und hat d'Katz zum Hudle g'nomme."

 von Henning Petershagen

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