Schwäbisch für Besserwisser

Wohin die Gugelfuhr führte

Entfaltet ein Schwabe allzu heftige Umtriebe, setzt er sich dem meist geknurrten Vorwurf seiner Landsleute aus, eine (Mords-/Jenseits-)Gugelfuhr zu veranstalten.

Fragt man eine Schwaben oder eine Schwäbin, was er/sie unter Gugelfuhr versteht, nennt er/sie ohne zu zögern die Synonyme Gschiss, Umschtandskramerei oder Rum-und-num (Hin und Her). Doch keiner weiß so recht, was das Wort Gugelfuhr im Grund bedeutet.

Dessen ungeachtet erfreut sich dieser Begriff großer Beliebtheit. Er kann dazu dienen, missliebiges Verhalten zu charakterisieren. "Hôt der/dui heit wieder a Gugelfuhr", lautet der Kommentar, wenn etwa jemand sich bei der Verfolgung seines Zieles oder der Erfüllung seiner Aufgabe besonders umständlich anstellt oder mehr Aufhebens davon macht (Gejammer, Gemaule, Gestöhne) als angemessen ist; wenn jemand angestrengter in der Gegend herumfuhrwerkt als die Angelegenheit erheischt.

Die Gugelfuhr muss aber nicht notwendig selbst verschuldet, sie kann auch von höherer Gewalt oder der Dummheit anderer verursacht sein: "Des war a firchterliche Gugelfuhr", beschreibt man eine Aktion, deren Verlauf von Hindernissen und Mühen gehemmt wurde wie etwa das Verlassen eines Parkplatzes, der auf allen Seiten hoffnungslos zugeparkt ist. Auch das erfordert einiges Herumfuhrwerken.

Jenes leichter verständlichen Wort ist in seinem Kern mit der Gugelfuhr verwandt. In beiden steckt das Verb fahren. Was jedoch Deutungsschwierigkeiten bereitet, ist das Wort Gugel, denn die ist schon lange aus der Mode gekommen. Die Gugel war die mit Kragen und mitunter Zipfel(n) versehen Kapuze, lateinisch cuculla, die im Mittelalter von den Bauern getragen wurde und die später als klassische Kopfbedeckung des Narren galt. Demzufolge kann man die Gugelfuhr als eine Art Narrentreiben verstehen.

Es gibt aber noch weitere mögliche Erklärungen. So verzeichnet das Grimmsche Wörterbuch neben der Gugelfuhr(e) und der Gugelfahrt auch die Gaukelfuhre, die es als "närrisches, gauklerisches Treiben" umschreibt. Auch gaukeln bedeutet soviel wie "Narrenpossentreiben". Im Mittelhochdeutschen gab es sowohl den Begriff goukelvuore als auch gogelvuore, worin nach Grimm das mittelhochdeutsche gogel (Scherz, Posse) steckt.

Dass dieses sich mit der Gaukelei und der Narren-Gugel in der Gugelfuhr vereinigt hat, wird von den Verfassern der einschlägigen Nachschlagewerke für durchaus denkbar gehalten. Tatsächlich wurden als Gugelfuhr zunächst auch lärmende bis mutwillige Späße bezeichnet - mitunter sogar der Spaß im engeren zwischenmenschlichen Bereich.

Davon rundete sich in der Folge bisweilen der Bauch der weiblichen Beteiligten. Dass dies jedoch der Grund gewesen sei, warum noch heute die Gugelfuhr fälschlich auf Kugel zurückgeführt und mit K geschrieben wird, ist wissenschaftlich nicht gesichert.

Von Henning Petershagen

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